Imkerlatein
Die vielfältigen komplexen Abläufe, die in einem Bienenvolk stattfinden, sind nicht immer einfach zu deuten. Bienen haben ihre eigene Sprache, die uns oft völlig unverständlich ist. Darüber hinaus müssen wir akzeptieren, dass Bienen völlig andere Wesen, als wir Menschen sind. Wir neigen oft dazu Bienen mit Menschen zu vergleichen. Ein gutes Beispiel hierfür ist, dass wir Menschen ein warmes behagliches Haus einer kalten feuchten Höhle vorziehen. Und dann können wir uns schwer vorstellen, dass Bienen anders empfinden. Das es Bienen besser geht, wenn wir sie im Winter nicht warm einpacken, sondern frieren lassen. Manche Imker sind denn auch entsetzt, wenn Bienen beim einsetzen eines Schwammtuchs mit Ameisensäure erschreckt aufbrausen und befürchten dass sie den Bienen damit ein schweres Leid antun. Sicher, Wellness geht anders, aber Bienen brausen genauso erschreckt auf, wenn wir sie mit dem Smoker anrauchen. Imker lieben ihre Bienen und wollen sie pflegen und mit viel Fürsorge umgeben. Ganz besonders fällt dies bei den vielen Hobbyimker auf, die nicht vom Honigertrag abhängig sind. Da darf es dann auch mal eine Pollenersatzfütterung sein, damit die geliebten Bienchen bei einem Schlechtwettereinschlag keinesfalls einen Mangel erleiden müssen. Dass sie ihren kleinen Freunden damit keinen Gefallen tun, sie sogar einer großen Gefahr aussetzen, wollen sie nicht glauben. Auch das Oxalsäure-Medikament, welches der Hersteller damit bewirbt, dass es ganzjährig bienenschonend eingesetzt werden kann, ist so ein Unsinn. Denn Mehrfacheinsatz von Oxalsäure dulden die Bienen nicht. Im Sommer ist das nicht von so großer Bedeutung, denn täglich schlüpfen bis zu 2000 neue Bienen. Aber die Königin erträgt auch keine Mehrfachbehandlungen. Und weil Oxalsäure nur im flüssigen Zustand wirkt, aber im Volk nach kurzer Zeit abgetrocknet ist, funktioniert sie nicht in brütenden Völkern. Die Milben werden keinesfalls weniger, weil sie sich in den Brutzellen weiter verdoppeln.
Es wird wesentlich öfters Falsches, fake und viel mehr Unsinn, als Fakten und wirkliches Wissen in der Imkerei verbreitet. Den Bienen ist vieles davon egal, weil sie sehr robust sind und nur bei großem imkerlichen Versagen sterben. Aber weil wir unsere Bienen lieben, reicht es nicht, wenn wir sie aus Unwissenheit nur suboptimal versorgen können. Ich habe einige der typischen Imker-Fake-News gesammelt und nachfolgend aufgelistet:
Fake:
Bienen sollen im Winter warm eingepackt werden.
Fakt:
Bienen sollen in den Monaten November bis Februar möglichst kalt überwintert werden. Sie brauchen weder Thermoschied, Klimadeckel und auch keine eingeschobene Varroaschublade. Wenn Bienen in dieser Zeit warm eingepackt überwintern, neigen sie dazu durchzubrüten. Schlüpfende Brut aber reduziert die Lebensdauer der Winterbienen. Schlüpfende Brut produziert Varroamilben. Brutpflege erfordert eine Brutnesttemperatur von 34,5°C im Gegensatz zu nur 18°C in der brutfreien Wintertraube. Für die höhere Temperatur müssen die Bienen mehr Nahrung pro Einzelbiene aufnehmen, können aber im Winter kaum einen Reinigungsflug zum Abkoten unternehmen. Sie erkranken an Ruhr. Bienen heizen nicht ihre Beute, sondern nur die Wintertraube. Bienen ertragen bis -60°C wenn es nicht in ihre Hütte hineinregnet. Bienen kalt überwintern ist richtig.
Fake:
Die Lebensdauer der Winterbienen verkürzt sich durch späte Trachtflüge oder Brutpflege.
Fakt:
Weder späte Tracht noch Brutpflege haben einen Einfluss auf die Lebensdauer der Winterbienen. Diese Damen sind derart faul, dass sie bei einem späten imkerlichen Eingriff selbst dem Rauch eines Smokers nur sehr widerwillig und zögerlich ausweichen. Sie beteiligen sich auch nicht an der Brutpflege, sondern schonen sich.
Fake:
Brutpflege reduziert die Lebensdauer der Bienen.
Fakt:
Brutpflege hat keinen Einfluss auf die Lebensdauer der Bienen. Der entscheidende Faktor ist hier die schlüpfende Brut. Erst wenn Brut schlüpft, wird die Lebensdauer der Bienen verkürzt. Wenn ein Volk ständig Brutpflege betreibt, diese Brut aber im verdeckelten Zustand entnommen wird, so dass keine jungen Bienen in diesem Volk nachkommen, verlängert sich die Lebensdauer der Bienen um viele Monate.
Fake:
Bei der Begattung einer Königin wird das Begattungsorgan des Drohn abgerissen, was schließlich zum Tod des Drohns führt.
Fakt:
Das Begattungsorgan des Drohns wird mitnichten abgerissen. Bei dem sogenannten Begattungszeichen, welches man bei der Ankunft der begatteten Königin sehen kann handelt es sich nicht um das Begattungsorgan des Drohn, sondern um Sekrete, die die Stachelkammer der Königin für die jeweils nächste Begattung offen gehalten haben. Und ja, der Drohn stirbt beim ausfahren des Begattungsorgans.
Fake:
Die Sommerbiene stirbt im Alter von ca. 42 Tagen.
Fakt:
Die Lebensdauer der Arbeiterinnen ist sehr flexibel. In einem weisellosen Volk kann eine Arbeitsbiene mehrere Monate, oder bis zu einem Jahr alt werden. Auch in Völkern, in denen eine Brutpause stattfindet steigt die Lebensdauer der Arbeiterin ebenfalls extrem an. Dies ist auch bei einer durch den Imker erzwungenen Brutpause der Fall. Darüber hinaus gibt es in jedem Volk ganzjährig auch einzelne Winterbienen mit langer oder Sommerbienen mit kurzer Lebensdauer.
Aber abgesehen von diesen Ausnahmen lebt eine Sommerbienen in einem gesunden Volk durchschnittlich 27 Tage und in der Zeit zwischen Ende Mai und Anfang Juni sogar kürzer als 21 Tage.
Fake:
Ein normales Bienenvolk hat zu seiner Blütezeit im Juni etwa 50.000 Bienen.
Fakt:
Eine Volksstärke von 50.000 Bienen erreichen nur 0,3% aller Völker. Ein starkes Bienenvolk hat im Sommer etwa 30.000 Individuen. Würde die Königin jeden Tag 2000 Eier legen (tut sie aber nicht), wären das maximal 42.000 Individuen bei einer LD von 21 Tagen Ende Mai, Anfang Juni.
Fake:
Die Plastikfolie auf den Rähmchen hat im Bienenvolk nichts zu suchen, sie führt zu Schimmelbildung im Winter.
Fakt:
Schimmelbildung entsteht in Völkern, die schwach überwintert werden. In ausreichend starken Völkern entsteht kaum Schimmel. Unter der Plastikfolie bildet sich Kondenswasser. Der Imker kann dadurch erkennen, ob Völker im Winter brüten. Und die Bienen können das Kondenswasser zum auflösen von auskristallisiertem Futter sehr gut gebrauchen.
Fake:
Wenn die Randwaben im Winter Schimmel zeigen schadet das den Bienen.
Fakt:
Natürlich ist Schimmel nicht nützlich für das Bienenvolk. Aber Schimmel führt in einem normal gesunden Bienenvolk zu keiner Beeinträchtigung. Sobald es wärmer wird und die Bienen die Wintertraube auflösen, entfernen sie den Schimmel bei ihren Reinigungsarbeiten genauso wie die vielen Leichen im Gitterboden.
Fake:
Schwache Völker sterben im Winter an Unterkühlung und sollen in diesen Ausnahmefällen doch warm überwintert werden.
Fakt:
Starke Völker müssen nur eine Heizleistung von 55W/kg Bienen für die Wintertraube erzeugen und entsprechend wenig Futter pro Einzelbiene aufnehmen. Schwache Völker können bis 193W/kg Bienen für die Wintertraube erzeugen. Aber um diese enorme Heizleistung zu erbringen müssen die einzelnen Bienen die vierfache Futtermenge aufnehmen. Wehe, sie können nicht mindestens einmal pro Woche ausfliegen zum Abkoten. Schwache Völker überwintern ist Tierquälerei. Sie müssen, sofern sie gesund sind, vereinigt, oder aufgelöst werden.
Fake:
Das Bienensterben
Fakt:
Es gibt kein Bienensterben. Es gibt nur Medien, denen jedes Mittel recht ist Schlagzeilen zu machen. Und hier zeigt sich der berühmte Spruch der Zeitungsmacher:“ Only bad news are good news.“ Die Zahl der Bienenvölker hat sich in Deutschland seit den 1960er Jahren verdoppelt.
Fake:
Den Bienen ginge es besser, wenn wir sie in hohlen Bäumen einfach in Ruhe leben lassen würden.
Fakt:
Seit der Einführung der Varroamilbe in den 70er Jahren können Honigbienen nicht mehr ohne imkerliche Hilfe überleben. Auch vor Einführung der Varroamilbe starben mehr als 80% aller wilden Schwärme. Gepflegt in imkerlicher Hand überleben heute weit mehr Bienenvölker als in der freien Natur. Gute Imker erkennt man an ihrer Überwinterungsquote. Wer durchschnittlich weniger als 10 % Winterverluste zu beklagen hat, darf sich hier einreihen. Die ganz guten Imker haben weniger als 5% Winterverluste. Und der gute Imker hilft mit frischen Waben, reichlich Futter, einer sauberen hygienisch trockenen Hütte, sowie bei Pflege, wenn die kleinen Wesen doch mal kränkeln.
Die Natur ist da viel grausamer.
Fake:
Die Honigbiene ist der wichtigste Bestäuber.
Fakt:
Die Wildbiene ist in 100% der Kulturen wichtig. Die Honigbiene nur in 11% der Kulturen wichtig. (Prof. Dr. Elke Genersch, mündlich 22.9.22)
Fake:
Das sog. Einstein-Zitat, wenn die Honigbiene stirbt, stirbt 4 Jahre später der Mensch
Fakt:
So einen Unsinn hätte Einstein nie behauptet. In den USA wurde die Honigbiene erst mit Ankunft der Europäer eingeführt. Aber bereits vorher gab es dort schon Menschen.
Fake:
Eine Reizfütterung motiviert die Königin zu erhöhter Eiablage und somit zu einem schnelleren Wachstum des Volkes.
Fakt:
Eine Reizfütterung hat keine Auswirkung auf die Eilegerate der Königin.
Fake:
Eine Pollen-Ersatzfütterung hilft den Völkern bei der Brutaufzucht, speziell wenn Bienen bei schlechtem Wetter unter Pollenmangel leiden.
Fakt:
Jede Pollen-Ersatzfütterung schadet den Völkern und birgt ein hohes Risiko Krankheiten ins Volk zu transportieren. Diese Zufütterung von Eiweiß nützt nur den Herstellern dieser Produkte.
Fake:
Das Mullerbrett eignet sich gut zur Varroabekämpfung, besonders für ökologisch orientierte Imkereien.
Fakt:
Das Mullerbrett ist völlig unwirksam, da Milben nicht ohne ihr Bienentaxi im Volk neue Brutzellen aufsuchen. Im Mullerbrett findet sich deshalb nur der natürliche Varroa-Abfall.
Fake:
Die Landwirtschaft, die Spritzmittel, die Klimaerwärmung sind Ursache für das Völkersterben.
Fakt:
Primär ist eindeutig der schlecht ausgebildete Imker die Ursache für das Völkersterben, sekundär ist es die Varroamilbe.
Fake:
Imker können leidenschaftlich über die besten Betriebsweisen streiten. Dies verunsichert natürlich oft die Anfänger. Aber….
Fakt:
Es gibt keine beste Betriebsweise. Den Bienen sind alle Betriebsweisen recht. Sie entwickeln sich immer gleich, egal ob wir biologisch imkern, im Magazin, in einer alten Trogbeute, oder in einer Kartoffelkiste. Es obliegt jedem Imker, für sich selbst das richtige zu finden. Es ist nur Geschmacksache.
Für das absolute Wohlbefinden der Bienen bedarf es nur fünf einfache Dinge:
- Wenig Varroamilben ab August bis Dezember (von Januar-Mitte Juli spielt es kaum eine Rolle, wie viele Milben im Volk sind)
- Ausreichend Futter
- Jährliche Wabenhygiene
- Junge Königin
- Ausreichend starke Überwinterungsgröße ab 5.000 Bienen
Wenn Sie diese fünf Punkte ganz stur beachten, bringen Sie alle Völker gesund über den Winter und Sie können sich zwischen den sehr guten Imkern einreihen.
Karl-Heinz Schäfer
Bienensachverständiger