Zwei Imker, 3 Meinungen!
Dieser Umstand hat mich am Anfang meiner Imker-Laufbahn oft irritiert. Warum scheint es in der Imkerei keine klaren Regeln wie beispielsweise in der Mathematik, oder in der Physik zu geben? Zweimal drei ist sechs, Basta. Da gibt es kein Vertun.
In der Imkerei ist das anders, denn die Imkerei bietet eine Vielzahl an möglichen Richtungen die der Jungimker einschlagen kann. Wenn Sie maximalen Honigertrag erwirtschaften wollen, müssen sie anders imkern als der naturverliebte Bienenfreund, der nur ein oder zwei Völker in seinem Garten beobachten möchte. Beides ist richtig. Es kommt darauf an was Sie wollen.
Wenn Sie schon länger imkern, dann wissen Sie vermutlich, dass unsere kleinen Freunde sehr robust sind und vieles tolerieren, ohne dabei gleich zugrunde zu gehen. Die Wahl der Beute ist ihnen ebenso egal wie Warmbau oder Kaltbau. Auch ob Sie in einer Dadantbeute ein Wärmeschied verwenden oder nicht, spielt nur für den Imker eine Rolle, der daran glaubt, dass es nützt. Auch das vielerorts verwendete Flugbrett ist den Bienen egal. Sie können mit oder ohne arbeiten. Ich arbeite ohne Flugbrett, denn die Natur hat auch kein Flugbrett vorgesehen. Gesunde Bienen bringen ihren Honig auch ohne Flugbrett sicher nach Hause. Kranken Bienen möchte ich nicht mit dem Flugbrett eine Krücke verschaffen, mit der sie sich und ihre Krankheit nach Hause schleppen können. Wenn Sie aber trotzdem lieber mit Flugbrett arbeiten wollen, bitte. Ihre Völker werden es überleben, auch wenn es wissenschaftlich gesehen nicht der optimalste Weg für die Bienengesundheit ist.
In der Imkerei gibt es geprüftes Wissen, aber auch viel Falsches. Darum soll es künftig in dieser Rubrik gehen. Wir wollen an dieser Stelle geprüftes Wissen einstellen, aber auch über die vielen „Fakes“ informieren. Und vieles ist den Bienen völlig egal, auch wenn wir Imker uns darüber manchmal herrlich streiten können.
Reizfütterung:
Hier handelt es sich „um ein ganz besonderes Futter“. Und um ein Reizthema unter Imkern. Auf die sog. Reizfütterung schwört eine große Zahl von Imkern. Da werden im Frühling entweder Futterwaben aufgeritzt, oder geringe Mengen an Zuckerwasser an die Bienen verfüttert, um eine Tracht vorzutäuschen. Diese Imker glauben, dass sie mit dieser Maßnahme das Volk zu verstärkter Brutpflege und die Königin zu verstärkter Eiablage motivieren können.
Fakt ist jedoch:
Eine Reizfütterung ist völlig nutzlos und ohne positive Wirkung auf die Volksentwicklung. Alle Bieneninstitute bestätigen dies. Eine Vielzahl von anerkannten Bienenwissenschaftlern haben dies unabhängig voneinander festgestellt:
(Butler 1946, Imdorf et al. 1984, Liebefelder Versuch 1980-1982, Liebig, Aumeier, Wille 1979)
Aber allen wissenschaftlichen Beweisen zum Trotz schwören viele Imker auf die positive Wirkung der Reizfütterung, wohl weil sie es schon immer so gemacht haben.
Sie wollen trotzdem weiter „reizfüttern“? Auch in Ordnung, denn es schadet den Bienen ja nicht. Mancher Glaube in der Imkerei erinnert mich an die verschiedenen Religionsgemeinschaften. Und manchmal hilft der Glaube an eine Sache ja auch. Wenn man nur fest genug daran glaubt.
Karl-Heinz Schäfer
Bienensachverständiger